Aus: http://www.tagesschau.de/ausland/argentinien-112.html
In Argentinien fiebern die Menschen dem WM-Finale entgegen. Doch es ist nicht nur die Hoffnung auf den ersten WM-Pokal seit 28 Jahren. Die Euphorie lässt sie auch kurzzeitig die düstere Lage ihres Landes vergessen: Argentinien steht kurz vor der Staatspleite.
Buenos Aires am Tag vor dem großen WM-Finale: Die Menschen in der argentinischen Hauptstadt schwanken zwischen Zuversicht und Zweifel. “Das ist ganz schön verzwickt”, sagt ein Mann auf der Straße. “Wir müssen als Argentinier ja fest dran glauben, aber es wird nicht einfach.” Wenig zuversichtlich ist auch ein anderer Passant: “Also ich glaube, wir verlieren. Die Deutschen sind besser. Aber wir tun, was wir können. Er sei guter Dinge und absolut überzeugt vom argentinischen Team, sagt ein dritter Mann. “Zuletzt gewannen die Deutschen, jetzt sind wir wieder dran.”
Das Endspiel im Maracanã-Stadion in Rio fesselt die Argentinier. Die Aussicht, nach 28 Jahren erneut den WM-Pokal zu gewinnen, lässt 40 Millionen Menschen in dem südamerikanischen Land vibrieren. Und es bringt sie auf andere Gedanken. Denn die derzeitige Situation des Landes ist alles andere als gut.
Hohe Inflation, drohende Staatspleite
Gegen die “Geier”: Auf einem Plakat in Argentinien wird gegen US-Hedgefonds protestiert.
Argentinien durchläuft eine schwere Wirtschaftskrise, die geprägt ist von hoher Inflation, stockendem Wachstum und einer drohenden Staatspleite. Bis zum 30. Juli muss sich das Land mit zwei Hedgefonds einigen, die mehr als 1 Milliarde US-Dollar fordern. Argentinien zögert, denn zahlt es die Investmentfonds aus, würden weitere 15 Milliarden Dollar fällig. Das Land wäre faktisch pleite. Die Fußball-WM und der Finaleinzug haben dieses düstere Szenario erst einmal verdrängt.
“Man hat das schon vor einigen Tagen gesehen, als wir ins Finale eingezogen sind. Die Leute waren super glücklich, total motiviert, und vereint”, beschreibt eine Frau die Stimmung im Land. “Es gab keine ideologischen Streitereien, auch keine politischen Interessen haben diesen schönen Moment zerstört. Das ist genau das, was das Land braucht – einen solchen Erfolgsmoment. Darauf warten wir schon seit 24 Jahren.”
Argentinien zwischen Staatspleite und Traum vom WM-Titel
J. Segador, ARD Buenos Aires
12.07.2014 00:54 Uhr
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2001 war Argentinien schon einmal pleite. 2005 und 2010 einigte sich das Land im Rahmen einer Umschuldung mit den meisten Gläubigern, wenn auch nicht mit allen. Seither bekommt Argentinien kaum Kredite. In New York laufen derzeit die Verhandlungen, um eine Lösung der Finanzkrise herbeizuführen. Es ist ein zähes Ringen um die Zukunft eines Staates. Unterbrochen von einem WM-Endspiel in Rio de Janeiro. Aber ausgestanden ist deshalb die Krise noch lange nicht.
Das wissen die meisten Argentinier. “Man hält kurz inne, konzentriert sich auf den Fußball und vergisst die Probleme”, sagt dieser Mann in Buenos Aires. “Einen Monat lang denkt man an andere Dinge, nach der WM stehen dann wieder die wirtschaftlichen Probleme im Vordergrund. Aber jetzt denken wir an die WM.”